2011-11-10

Feststellungen.

"Das Tränenemoticon war jetzt leider nicht ironisch." - Story of my life.


Dinge, die man so feststellt.


Ja, ich heule ständig. Und oft finde ich das (inzwischen) gar nicht (mehr) so schlimm, aber ich mag es (immer noch) nicht, wenn ich weine, ohne einen Grund zu haben.


Heute sprach ich mit meinem Therapeuten über das Weinen und er sagte, dass Weinen einmal Trauer sei, der einzige Weg, etwas akzeptieren zu lernen, das unwiederbringlich ist. Und außerdem ist Weinen auch Spannungsabbau. Wer weint, befriedigt ein Bedürfnis, erleichtert sich von einer Bürde. (Ja, ich musste an "Pipi in den Augen" und andere körperliche Bedürfnisse denken.)


Sehr schön fand ich dann: "Und je mehr man weint, desto flacher wird der Tränensee und irgendwann muss man nicht mehr so viel weinen."


Genau. Irgendwann werde ich den Wasserspiegel meines Tränensees auch gesenkt haben. Und dann muss ich auch nicht mehr weinen, weil David Tennant irgendwann nicht mehr der Doctor ist. (Ich übertreibe nicht. Das macht mich gerade echt fertig.)


Ich sitze wirklich hier und weine, weil David Tennant nicht mehr der Doctor ist und hoffe, dass ich in ein paar Jahren darüber lachen kann.

5 Kommentare:

  1. Bei mir ist das mit dem anlasslosen Weinen auch so ne Geschichte.
    Ich war als kleiner Jungreis ne totale Heulsuse, aus Angst, aus Überforderung, also eigentlich immer.
    Dann wurde das mit der männlichen Sozialisation zu einem der Tabus, also "Jungs weinen nicht, und wenn doch muss es lohnen" und so.
    Und wenn es doch passiert ist, kam ich mir eben nur wie jemand vor, der mit der Welt nicht klarkommt. Und genau das war und bin ich ja auch.
    Die wichtige Erkenntnis war später, dass es kein Problem ist, mit der Welt nicht klarzukommen.

    Und erst vor so 2 Jahren hab ich diese Distanz von dem, was depressionsbedingt alles an Gefühlen auf mich einschlägt und dem völligen Fehlen physischer Reaktion wirklich auf dem Schirm gehabt und gesehen, was da wirklich kaputt war und -gemacht wurde.
    Es hat dann für mich erst einer sehr guten Freundin bedurft, das zu erkennen, es auszusprechen und auch aufzulösen (soll heißen, vor ihr hab ich das erste mal wieder anlasslos, aber frei geweint)

    Seitdem ist das Losheulen beim Aufwachen am Morgen, zwischen Vorlesungen, also potentiell überall irgendwie auch ein Befreiungskampf von mir und meinen Gefühlen gegen die testosterongeschwängerten (geschwängert, hihi) Geister der Vergangenheit - und der Seite, die fragt, warum ich denn heule und warum ich ohne Grund heule, steht inzwischen eine gegenüber, die sagt, dass das schon okay so ist.
    Manchmal muss diese Seite auch von meiner Freundin gespielt/verstärkt werden.

    Außerhalb dieser Momente, freue ich mich, dass ich weinen konnte. Da trifft das, was dein Therapeut über Belastung sagt, sehr gut auf mich zu. Vor allem seit aus dem Weinen selbst nicht mehr wie früher eine eigene neue Belastung entsteht.

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  2. "Die wichtige Erkenntnis war später, dass es kein Problem ist, mit der Welt nicht klarzukommen."
    "der Seite, die fragt, warum ich denn heule und warum ich ohne Grund heule, steht inzwischen eine gegenüber, die sagt, dass das schon okay so ist."
    "Vor allem seit aus dem Weinen selbst nicht mehr wie früher eine eigene neue Belastung entsteht."

    Fav Fav Fav. Alles. Weil: Ja. Das ist es so sehr.
    Es bedarf übrigens keiner männlichen Sozialisation, um das Weinen aberzogen zu bekommen, das kriegt man auch ganz alleine hin, mit diesem ewigen Anspruch, dass man doch gefälligst klar kommen muss - woher auch immer der dann kommt. Vielleicht so eine urmenschliche Idiotie. Und dann geht aus diesem Anspruch heraus das mit dem Weinen auch nicht mehr, bzw. wenn, dann nur mit einer angemessenen Portion Selbstverachtung für so viel Schwachheit.

    Ich finde es gerade übrigens sehr hilfreich und nicht-wirklich-in-Worte-fassbar GUT, das auch mal von der "anderen", von der Männerseite zu hören. Dass es auch da emotionale Schwankungen geht, die über Mundwinkel hoch oder runter hinausgehen. Weil auch das etwas ist, was man sich als Ausrede suchen kann: hey, ich bin ne Frau, die Hormone, die Gehirnstruktur und Chemie, was willste da schon groß erwarten, die heulen halt viel.

    Also. Danke für so ein "hier guck mal, ich auch"-Ding.

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  3. Den Kommentar wollte ich auch ein bisschen als Dank schreiben, dass du mir erstmal ein "hier guck mal, ich auch-Ding" beschert hast.

    Und ja, diese Biologismen, da glaub ich sehr konsequent an sehr sehr wenig.
    Wenn man die Widerstände kennt, die einem als normabweichendem Jungen begegnen, sieht man das mit der Gefühllosigkeit nur noch als reine Kollektiverziehung.
    Wenn das, was von der Norm abweicht, und das nicht mehr nur Aussehen oder gewähltes Verhalten ist, sondern die Persönlichkeit, die man eben zu dem Zeitpunkt so hat und so ausdrücken möchte, kann das an die Substanz gehen.
    Weiß auch nicht, wie ich das beibehalten konnte.
    Hatte erst mit nem Schulwechsel (in die 12. Klasse) dann das Gefühl, Leuten zu begegnen, bei denen ich genau diese Persönlichkeit haben kann.
    Das heißt zum einen, dass ich da sehr vom Umfeld abhängig bin, zum andern dass ich von sozialer Interaktion so unausgelastet (d.h. nicht mit Machotrotteln umgehen müssen, sich nicht behaupten oder irgendwas begründen müssen) sein musste, um da überhaupt dranzugehen.
    Und wäre ich allein nach Jena gezogen, der Scheiß ginge von vorne los.

    Andersherum würd ich auch das Mundwinkel hoch und runter nicht verurteilen, gerade weil ich das kenne, nicht den gleichen Ausdruck in Innen- und Außenwelt zu haben. Ist ja auch okay, wenn man nicht auch noch wie ich mit ereignisunabhängigen Gefühlsausbrüchen klarkommen muss, sich da keine Wissenschaft zusammenzuklöppeln.

    Sehr geholfen hat mir mein exzentrische Selbstverständnis und meine hyperaktive Angewohnheit, innere Anspannung, Verwirrung, Überforderung in seltsamer Handlung nach draußen zu tragen und in der Öffentlichkeit zu behandeln.
    Und wenn ich Schlafstörungen hab, ist es halt ein Running Gag, dass ich in der Schule regelmäßig einschlafe -
    Nur nicht weinen. Das ist Tabu.

    Deshalb bin ich daran gescheitert, das war nicht thematisierbar. Und das Problem ist nicht, dass Männer solche Anforderungen an ander Männer haben, sondern fast alle solche Anforderungen an Männer haben.
    Heulen als Coming Out. Zum Kotzen.


    Und eigentlich wollte ich glaube ich viel mehr und/oder ganz anderes erzählen hab's aber vergessen, schreib sowas nicht auf und so.
    =_=

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  4. Biologismen sind halt super, weil super einfach. "Super" in einem absolut oberflächlichen und bei genauerer Betrachtung schlechten Sinne. Ja, wenn man will, funktioniert das. Wenn man das so will, muss man sich nicht eingestehen, dass man echt n Problem hat gerade. Und "ach ja, Menstruation in näherer Zukunft/gerade/vor kurzem" ist so einfach und so universell einsetzbar und solange man es sich nicht so genau anguckt, auch so wasserdicht.

    Ich verurteile "Mundwinkel hoch und runter" auch nicht, bin darin auch sehr gut. Es gehört nur - warum auch immer - von der/meiner Prägung her zum Weltbild, dass bei Männern nicht viel mehr ist als das. Oder, ums zu erweitern, dass bei starken Menschen, Menschen, die klarkommen, nicht mehr ist als das, weil sie halt so toll klarkommen. Und bei so einer verzerrten Wahrnehmung, bei der "keine/kaum Gefühlsäußerungen" gleichgesetzt ist mit "stark sein, klarkommen", kackt man im Vergleich natürlich immer ab und fühlt sich dann noch mehr als Loser als ohnehin schon.

    Und während das "Männer/starke Menschen weinen nicht, weil sie so sehr klarkommen"-Stereotyp in meinem Kopf vorhanden ist, ist das "ich bin ein Meeeeedchen, ich darf wegen jedem Scheiß flennen, weil Meeeedchen das so machen"-Stereotyp spurlos an mir vorbeigezogen. Kein Weinen vor anderen Menschen, kein Weinen vor Wut im Streit oder als Manipulation oder keine Ahnung. Nicht bei mir.

    Es ist enorm schade, zu so einem normalen Bedürfnis wie Weinen (denn das ist es ja, normal und ein Bedürfnis, wie essen, schlafen, pissen! Merke das derzeit wieder.) so ein gestörtes Verhältnis zu haben. Sowohl als Gesellschaft als auch als Privatperson. Und zu sehen, wie logisch dieses Denken erscheint, solange man da drin ist, ist auch schade.

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  5. Naja, in einem Gewissen Sinn sind das ja Menschen, die besser mit der Welt "klarkommen", also weniger Konflikt mit der Welt haben.
    Das sind dann auch passenderweise Menschen, die die "super" Erklärungen haben.

    Ich sagte ja schon im ersten Kommentar, dass mir nicht mehr als nötig wichtig sein sollte, dass ich mit der Welt klarkomme, sondern damit zu leben, dass das oft nicht geht.
    Ich hab ja keine Wahl und mein Lernen zu weinen ist/war ja auch ein Schritt in Richtung klarkommen.
    Aber erkenn sowas erstmal.

    Achso, und Stereotypen sind erstmal nicht an mir vorbeigegangen, sondern als Feinbild aufgebaut worden (vor allem eben der männliche), während ich ihn aber implizit noch in mir drin hatte, in ner komischen Forderung nach Härte and Stuff.

    PS: Und bei einem Bedürfnis wie pissen ist es mir gar nicht mal so wichtig, zu lernen es vor anderen zu machen :B

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